ECONOMY CLASS SITZKOMFORT

Die Hoffnung heißt Slimline

Mehr Beinfreiheit In den letzten Jahren haben viele Airlines in ihre Langstreckenjets neue Economy-Sitze eingebaut, die ein paar Zentimeter mehr Beinfreiheit bringen – so lange der Sitzabstand gleich bleibt. World-of-Flights hat den Sitzkomfort jener Airlines und Flugzeuge unter die Lupe genommen, bei denen Slimline-Sessel zum Einsatz kommen.

Die Airlines lieben sie, die Passagiere nicht ganz so sehr: Die neuen Economy- Sitze sind auch auf der Langstrecke seit Jahren auf dem Siegeszug. Die Rückenlehnen der sogenannten Slimline-Sitze sind rund drei bis fünf Zentimeter dünner als herkömmliche »Polstersessel« und zudem ergonomisch so geformt, dass die Sitzreihen enger montiert werden können und der Passagier dennoch gefühlt mehr Raum für die Beine zur Verfügung hat. Die Ingenieure tüfteln daran, die Sitze mit kompakten Strukturen und verbesserten Materialien immer leichter zu machen, um Gewicht und damit Kerosin zu sparen. Gleichzeitig versuchen sie, mit pfiffigen Anordnungen, immer größeren Monitoren und schicken Designs die langen Flugstunden in der Economy erträglicher zu machen – schließlich sollen die Passagiere ihren Flug ja in guter Erinnerung behalten und für die nächsten Reisen dieselbe Airline wieder buchen.

Das scheint auch mittlerweile ganz gut zu klappen. Nach dem anfänglichen Aufschrei haben sich die Passagiere offenbar an die neue Art des Sitzens gewöhnt. Auf Flugbewertungs- Portalen erhält man nur noch selten den Eindruck, dass Passagiere ihr »Flugerlebnis« mit einem solchen Sitz am liebsten aus dem Gedächtnis streichen würden. Vielen waren die neuartigen Sitze einfach zu schlecht gepolstert, so dass schon der Beiname »Schlimm-Line« die Runde machte. Wie User Peter (1,95m groß), der auf Flightcheckers.de über seinen A380-Lufthansa-Flug von Miami nach Frankfurt schreibt: »Die Sitze waren unbequem und der Sitzabstand eine Frechheit«. Die Presse beschwört derweil den Untergang des Abendlandes: So titelte die Welt jüngst über »Die endgültige Einpferchung in der Economy Class« und stellte Sitzkonzepte mit Fahrradsesseln, Klappsitzen und Kuschel-Kokons vor, die noch mehr Sitze auf noch engerem Raum ermöglichen – ein Alptraum für jeden Flugreisenden. Da können wir ja noch von Glück sagen, dass es so weit noch nicht ist. Das Ende der Fahnenstange scheint allerdings noch nicht erreicht: Airbus schaffte es jüngst, im A 380 elf statt zehn Sitze in eine Reihe zu pressen. Eine Maßnahme, die nicht so recht ins Zeitalter der Übergewichtigen passen will. Wer auf einem 42 Zentimeter breiten Mittelsitz in einer 3–5–3-Konfiguration nonstop nach Fernost fliegt, weiß hinterher, was er geleistet hat.

Sitzabstände zwischen 76 und 86 Zentimetern

Wie es heute wirklich um den Sitzkomfort in der Economy Class bestellt ist, dieser Frage ist World-of-Flights in einem umfangreichen Test nachgegangen. Wir haben die 50 wichtigsten Langstrecken-Airlines befragt, analysiert und festgestellt, dass die allermeisten auf die neue Sitz-Generation umgerüstet haben; diese haben wir in unserem Vergleich berücksichtigt.

Bei unserer letzten Untersuchung vor drei Jahren waren Slimline-Sitze erst bei rund einem Dutzend Airlines zu finden, darunter Air New Zealand, British Airways, Korean Air, Lufthansa, Thai Airways undTurkish Airlines. In den letzten Jahren sind rund 30 Gesellschaften dazugekommen, unter anderem Delta Air Lines und KLM (2015), Air France und Gulf Air (2014) sowie Austrian, Japan Airlines und Singapore Airlines (2013). Neuflugzeuge, insbesondere die Flagschiffe Dreamliner B 787 und A 380, verlassen heute die Produktionshallen fast durchweg mit schlanker Bestuhlung.

Auch bei den neuen Sitzen ist der Sitzabstand das Maß aller Dinge. Spitzenreiter sind mit 86 Zentimetern Japan Airlines (B 787: 84 cm), Korean Air und Oman Air, alle drei Gesellschaften gewähren ihren Passagieren mit 46 bis 48 Zentimetern auch vergleichsweise breite Sitze. Ähnlich viel Komfort bietet Air France (85 cm/45 cm). Die Überraschungskandidaten Egypt Air, Eva Air und Gulf Air sind mit 84 Zentimetern ebenfalls in der Spitzengruppe dabei.

Am unteren Ende mit zum Teil nur 76 Zentimetern Sitzplatzabstand finden sich die Boeing 767 von Austrian und Condor sowie die A 330 von Air Berlin. Alle anderen bewegen sich im Durchschnittsbereich von 79 bis 81 Zentimetern. Unter der Prämisse, dass die dünneren Rückenlehnen dahinter sitzenden Passagieren drei bis fünf Zentimeter mehr Raum bringen, entspricht dies nach früheren Maßstäben immer noch ganz ordentlichen 83–85 Zentimetern. Vor einigen Jahren waren 81 Zentimeter oder weniger Sitzabstand die Regel, so dass die Passagiere heute tatsächlich »gefühlt« mehr Platz haben.

Die »Schlanken« sind gut für breite Becken

Doch aufgepasst. Der Sitzkomfort hängt nicht nur vom Sitzabstand, sondern auch von der Breite ab. Es ist ein Unterschied, ob man sich in engezwischen den Armlehnen gemessene 43 Zentimeter quetschen muss oder 46 zur Verfügung hat. Auch hier gibt es Positives zu vermelden: Frühere Schlusslichter (aus unserem Test von 2012) mit einer Sitzbreite von nur 43 Zentimeter haben aufgeholt: Condor und Qatar Airways haben auf mindestens 45 Zentimeter erhöht, Finnair, Iberia, South African Airways und Turkish Airlines auf 46 Zentimeter. Nur in der B 747 von Thai Airways muss man immer noch bei 43 Zentimetern die Pobacken etwas zusammenkneifen.

Drittes Vergleichskriterium ist der Neigungswinkel und da wird es »traditionell« schwierig: Viele Airlines geben die Neigungsfähigkeit der Rücklehne in Grad an, andere in Zentimetern und wiederum andere in Zoll (haben wir zum besseren Vergleich in der Tabelle umgerechnet in cm!). Schwierig ist der Vergleich zwischen Grad und Zentimeter. Faustregel: 15 Zentimeter entsprechen rund 115 Grad. Spitzenreiter Egypt Air gibt die Neigung der Rückenlehne im A 330 von Egypt Air mit 130 Grad an. Verifizieren konnten wir das nicht, doch in der Praxis könnte es da für den Hintermann schon eng werden.

Was das Obermaterial der Sitze angeht, setzen die meisten Airlines auf Stoffbezüge, da Stoff atmungsaktiver als Leder ist. Wer sich über Stunden unter der Decke einmummelt, soll schließlich nicht ins Schwitzen kommen. Lediglich Delta Air Lines und Air Namibia haben Ledersitze, Brussels Airlines, KLM, South African Airways und Turkish Airlines haben Leder-Kopfstützen, die leicht zu reinigen sind.

Die Sitz-Extras für den Komfort

Alle Airlines in unserem Komfort-Test bieten in ihren neuen Economy-Sitzen eine Kopfstütze. Sie ist i. d. R. höhenverstellbar, um unterschiedlichen Körpergrößen gerecht zu werden. Wichtig sind auch die an beiden Seiten einklappbaren »Ohren«, an die man seinen Kopf beim Schlafen bequem anlehnen kann. Fußstützen hingegen leisten sich nur wenige Airlines, nämlich All Nippon Airways, Gulf Air, Japan Airlines, OmanAir, Royal Jordanian, Thai Airways und Turkish Airlines. Qantas setzt auf ein neuartiges Fußnetz.

Vielfach sind die Sitze ergonomisch optimiert konzipiert. Seitenpolster im unteren Rückenbereich erleichtern das längere Sitzen und geben Halt beim Schlafen. Manche Sitze haben verstellbare Rückenlehnen; beim Zurücklehnen bewegt sich das Sitzpolster nach vorne, so dass ein größerer Neigungswinkel erreicht wird. Dies ist zum Beispiel bei Austrian, Eva Air, Korean Air und Lufthansa der Fall. Bei Turkish Airlines kann der ganze Sitz um 3,5 Zentimeter vorgerückt werden. Air Berlin und Condor bieten eine Anti-Thrombose- Polsterung, das heißt das Sitzpolster ist im Oberschenkel- und Kniebereich besonders weich gepolstert.

Was aus den Polstersitzen geworden ist

Apropos Polster: Die Zeiten, in denen man in der Economy Class in einem gemütlichen Polstersitz versank, sind gezählt. In Flugzeugen, die in den nächsten Jahren ausgemustert werden, sind sie noch zu finden. Und bei den Arabern: Führende arabische Airlines wollen bislang von den Slimline-Sitzen offenbar gar nichts wissen. Emiratesund Etihad bleiben den gemütlichen Polstersitzen treu. Etihads neuer »Smart Seat« für die B 787 und A 380 hat dicke Sitzpolster und eine überdimensionierte, fest installierte Kopfstütze. Bei Emirates sind je nach Flugzeugtyp unterschiedliche Economy- Produkte im Einsatz.

Ansonsten bieten die Airlines auch in der Economy Class immer mehr Unterhaltungsmöglichkeiten. Die Monitore werden immer größer, USB- und Stromanschlüsse gehören immer häufiger zum Standard, und die Entertainment- Systeme werden immer umfangreicher. Sehr zu begrüßen ist, dass es ersten Airlines gelungen ist, die klobige Entertainment- Box, die so oft den Fußraum verstopft, verschwinden zu lassen; nun kann man ungehindert die Beine ausstrecken. Bei KLMist sie jetzt unterhalb der Sitzpolsters zu finden. Im A 350 von Qatar Airways wurde sie in den Sitzrahmen integriert. Hier stehen Passagieren sogar zwei Monitore zur Auswahl, ein 10-Zoll- Bildschirm und ein zweiter in der Größe eines Smartphones, den man als zweiten Bildschirm verwenden kann (z.B. um die Flugzeugposition zu verfolgen) oder als Bedienmenü für den größeren.

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